Des Sängers Verzweiflung (Während Eines Blutigen Krieges)
(Text: Peter Rosegger / Arr.: Ko-Do 2013)
 

Am erstbesten Eichbaum zerschlag' ich die Leier!
Zerberste, Zerschelle in schnöde Scherben,
Stöhne, schrille im Sterben zum letztenmal falschen Gesang!

Da sangen die Saiten
Von grünender Erde!
Roth muß sie sein, von Menschenblut roth sein!
Schießt und stecht und schlaget sie nieder
Die Menschen, die elenden, wo Ihr sie findet!
Auf furchigen Feldern,
Bei goldenen Garben,
Heiteren Herzens im Schäferhaine;
In brausender Werkstatt voll regen Fleißes,
Auf rollenden Rädern,
Auf wogenden Wellen in Handel und Wandel;
Auch zwischen den Wänden der Schule, des Wissens,
Im Tempel der göttlichen Kunst, erglühend
Im Schönen und Wahren.
Wo Ihr sie findet, trotzig sich freuend, die Menschen,
Schießt und stecht und schlaget sie nieder!

Da sangen die Saiten
Von blauem Himmel voll Sonnen und Sterne!
Roth muß er sein, der herrliche Himmel muß roth sein!

Tauchet die Pinsel in brennende Städte;
Wölbet mit Wolken des wogenden Rauches
Den Flammenofen über der Erde,
Daß keine der sengenden Sonnen, der stechenden Sterne
Keiner uns trübe das Schauspiel!

  Was soll sie, die flackernde Flamme
Am häuslichen Herde?
Befreit sie und pflanzt die lebendigen Fahnen
Auf Thürme und Dächer,
Auf prangende Zinnen stolzer Paläste!
Was lohet und leuchtet entfachet zu Lunten,
Gebilde der Menschen schmelzt ein in den Gluthtopf
Und schwinget die flammenden Pinsel und malet,
Der Himmel muß roth sein!
Da sangen die Saiten
Von rosigem Antlitz der Jugend.
Sie sangen von Liebe im Herzen, von Lust in der Brust wohl,

Von trautester Treue, bis einstmals der Tod trennt.
Fehde den lugvollen, trugvollen, gleißenden Saiten!
Im Herzen ist Haß. In der Brust brausen Brände!
O reißt auseinander die liebeträumenden Leben.

Das Weib mag weinen und welken,
Der Mann muß erbleichen - und brechen die Liebe.
Reißet den Sohn vom sehnenden Herzen der Mutter,
Einsam sollen sie sterben und starrenden Auges verwesen!

Haß dem Guten, dem göttlich Gerechten,
Haß dem Hohen und Holden!
Im Herzen ist Haß,
Entfachet zur flammenden That ihn:
Die Lebenden tödtet, die Todten rächet,
Daß ewige Rache die Menschheit richte!

Da sangen die Saiten
Von Leben und Liebe,
Von Friede und Freude,
Von wahrer, erhabener Menschenvollendung!

Am erstbesten Eichbaum zerschlag' ich die Leier!